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Was ist heute heute 'national'?
Über die Verbrechen des NS-Regimes und die Bedeutung der Wehrmachtsausstellung
von Roland Wehl  
 

Lauter Mißverständnisse: Ein großes deutsches Unternehmen verweigert der JUNGEN FREIHEIT seine Leistung. Man will nicht in die Schußlinie derjenigen geraten, die die JUNGE FREIHEIT angreifen. Das Unternehmen fürchtet um seinen guten Ruf. Eine öffentliche Diskussion könnte dem Geschäft schaden. Mit einer Unterschriftenaktion versuche ich, dem Unternehmen ersatzweise eine ganz andere Diskussion aufzuzwingen: Eine Diskussion über Pressefreiheit. Das Unternehmen lädt mich zu einem Gespräch ein. Man habe nichts gegen die JUNGE FREIHEIT, man wünsche der JUNGEN FREIHEIT sogar viel Erfolg, heißt es. Augenzwinkernd sagt mir ein Vorstandsmitglied: 'Ich denke genauso wie Sie!' Ich fühle mich mißverstanden.

Ein Unternehmensberater lädt mich zu einer Veranstaltung ein. In dem Einladungsschreiben wird der Vortrag eines deutschen Historikers angekündigt. Der Historiker wird als 'bewußter Jude' bezeichnet, der 'Deutschland verbunden' sei. Das soll vielleicht anerkennend klingen. Ich empfinde es jedoch wie eine rhetorische Ausbürgerung. Ich will dem Unternehmensberater nicht Unrecht tun. Deshalb verabrede ich mich mit ihm zu einem Gespräch. Der Unternehmensberater stellt sich ahnungslos. Er weiß nicht, wovon ich rede. Am nächsten Tag weiß er es doch. Er schickt mir eine Ausladung.

Eine Veranstaltung in einem Nobel-Hotel in Berlin: Junge Männer in Schlips und Kragen versammeln sich. Manche kommen mit Frau oder Freundin. Der Veranstalter reicht zu Beginn des Vortrags ein Freigetränk. Gemeinsam wird auf das Wohl des deutschen Vaterlandes getrunken. Die Mitglieder der Gruppe geben sich etabliert. Dann folgt das erbauliche Referat. Anschließend gibt es einen Umtrunk in der Bar. Man(n) fährt nach Hause. Wieder ist ein Kampf um die Nation gewonnen.

Gespräch mit einem Teilnehmer aus dem Kreis. Das Gespräch besteht aus Andeutungen und schein-konspirativen Bemerkungen: 'Du weißt schon, was ich meine'. Ich weiß es nicht. Der Gesprächspartner ist Parteipolitiker, der sich auskennt mit Strategie und Taktik. 'Den Mann kann man aufbauen' sagt er über einen anderen Mann, den ich nicht kenne. 'Den Mann müssen wir ersetzen' sagt er wiederum über einen Mann, der gerade einige Wochen zuvor von ihm mit 'aufgebaut' worden war.

Meistens leiden diejenigen, die andere Menschen 'aufbauen' und 'abbauen' wollen, an Selbstüberschätzung. Wunsch und Wirklichkeit klaffen bei ihnen auseinander. Das ist gut so. Trotzdem frage ich mich, was für ein Menschenbild mein Gesprächspartner hat. Welche Politik ist von ihm zu erwarten? Ist mein Gesprächspartner eine Ausnahmeerscheinung oder der Regelfall? Und wie ist das mit den anderen Teilnehmern dieser Hotel-Runde? Warum finde ich die meisten von ihnen unsympathisch?

Ein Bekannter sucht für die JUNGE FREIHEIT nach Wegen aus der Finanzkrise. Er spricht von Kontakten 'zur Wirtschaft'. Er kennt einen bedeutenden 'rechten' Unternehmer, der der JUNGEN FREIHEIT freundlich zugeneigt sei. Der Unternehmer ist in der Tat bedeutend und sehr vermögend. In seinem Imperium herrschen frühkapitalistische Zustände. Aus der Unterstützung für die JUNGE FREIHEIT wird nichts. Der Unternehmer entscheidet sich dagegen. Die JUNGE FREIHEIT ist nicht nach seinem Geschmack.

Noch ein Mißverständnis: Ein Pfadfinderlager irgendwo im Westen. Der Pfadfinderbund will seinen Mitgliedern auch ein Bekenntnis zur Nation vermitteln. Unter den Pfadfindern auch Jugendliche, denen man ansieht, daß mindestens ein Elternteil nicht deutsch ist. Diesen Eltern ist es offenbar wichtig, ihre Kinder gerade diesem Pfadfinderbund anzuvertrauen. Andere Eltern haben damit ein Problem. Sie melden ihre Kinder ab. Für sie ist der Jugendbund nicht mehr 'national' genug.

Gespräch mit einer PDS-Wählerin: Die Frau sagt, was sie im vereinten Deutschland vermißt. Die Bundesrepublik empfindet sie als kalt. Es fehlt ihr die Solidarität unter den Menschen. Es gebe keinen Zusammenhalt. Man lebe nebeneinander. Für die Frauen sei es schwerer als früher. Sie sei nicht für die Wiedervereinigung gewesen, aber die DDR wolle sie auch nicht wiederhaben. Die PDS wähle sie nicht aus (N)ostalgie, sondern weil sie den Kandidaten dieser Partei am ehesten vertrauen könne. National sei sie nicht, sagt sie. Auch ein Mißverständnis?

Im Parteivorstand der Republikaner sitzt Hans Hirzel, ehemaliges Mitglied der 'Weißen Rose'. Er kämpfte für ein besseres Deutschland und mußte sich dafür vor dem Volksgerichtshof verantworten. Aufgrund seines jugendlichen Alters blieb er von der Todesstrafe verschont. Bis Kriegsende saß er im Zuchthaus. Was geht in diesem Mann vor sich, wenn er heute als 'Rechtsradikaler' oder 'Nazi' beschimpft wird? Was empfindet er, wenn er auf Menschen trifft, die den Widerstand im Dritten Reich als 'antinational' verächtlich machen?

Wie lassen sich diese vielen Mißverständnisse entwirren? Sind die Begriffe 'rechts' und 'national' überhaupt deckungsgleich?

'Rechts' ist derjenige, der den knallharten Kapitalismus propagiert. 'National' kann nur derjenige sein, der in der Lage ist, die Menschen zu lieben, für die er Politik machen will. 'Rechts' ist derjenige, der billige Arbeitskräfte aus dem Ausland anwirbt, um sie morgen wieder abzuschieben, wenn er sie nicht mehr braucht. 'Rechts' ist derjenige, der selbst satt und versorgt ist, aber andere, die ohne Arbeit sind, als arbeitsscheu denunziert. 'Rechts' ist derjenige, der sich über Ausländer in unserem Land erregt, und nicht versteht, daß ein Großteil dieser Ausländer Bündnispartner sind. 'Rechts' ist derjenige, der sich über die Schadenersatzforderungen gegenüber deutschen Unternehmen erregt, die seitens der NS-Opfer heute gestellt werden. Mit 'national' hat das alles gar nichts zu tun.

Wer sich heute zur Nation bekennt, muß sich auch zu den Verbrechen bekennen, die im Namen Deutschlands von Deutschen begangen wurden. Dies ist nicht nur einfach ein Teil unserer Geschichte. Wer die Nation verteidigen will, muß sich in besonderem Maße mit dem Mißbrauch der Nation auseinandersetzen. Die Erinnerung an den damit zusammenhängenden Verlust ist ein Teil des nationalen Vermächtnisses, das zu bewahren ist. Die von den Nazis erschossenen oder vergasten Juden sind ebenso ein Teil dieses Verlustes wie die durch die Vertreibung ausgelöschte Kultur im damaligen Osten Deutschlands.

Wer dieses Vermächtnis bewahren will, muß über einen kritischen und differenzierenden Blick verfügen. Das schließt gleichermaßen eine pauschale Verurteilung wie eine pauschale Ehrenbezeugung aus. Deshalb ist die Botschaft der Wehrmachtsausstellung falsch und richtig zugleich. Die Ausstellungsmacher zeigen die Verbrechen von Soldaten, mit denen sie selbst nichts zu tun haben. Es sind ganz andere Deutsche als sie ? die Ausstellungsmacher ? selbst. Diese Distanz gegenüber den Tätern ist der Ausstellung anzumerken. Deshalb ist sie politisch unglaubwürdig und ohne wirkliche Aussagekraft.

Trotzdem ergeben sich auch aus der Wehrmachtsausstellung Fragen an eine politische Rechte, die sich selbst als 'national' bezeichnet. Was hat diese Rechte getan, um das Andenken gerade auch des nationalen Widerstandes zu bewahren, dem Rechte und Linke angehörten? Was hat diese Rechte getan, um jungen Deutschen eine Orientierung zu geben zwischen der Verzweiflung über deutsche Verbrechen und der Bejahung der nationalen Geschichte?

Liegt es wirklich nur daran, daß deutsche Geschichte immer wieder auch politisch instrumentalisiert wurde? Warum fällt es dieser Rechten so schwer, sich aus dieser selbstverordneten Abhängigkeit zu lösen?

Wenn die deutsche Rechte eine nationale Kraft sein will, muß sie sich diesen Fragen stellen. Nicht um irgendeine Anerkennung seitens anderer politischer Lager zu erringen, sondern um der eigenen geistigen Kraft und der eigenen Glaubwürdigkeit willen. Das ist nicht nur eine Frage der Vergangenheit, sondern natürlich auch der aktuellen Politik. Beispiel: Deutschland als Einwanderungsland.

Die gegenwärtige Ausländerpolitik der Bundesrepublik Deutschland führt dazu, daß vor allem die sozial Schwächsten der deutschen Gesellschaft die Folgen zu tragen haben. Hinzu kommt eine verheerende Eigendynamik: Menschen, die die Ausländerpolitik als fehlerhaft erleben, sind damit konfrontiert, daß sie ihre Meinung nicht sagen dürfen, wenn sie nicht noch stärker ins Abseits gestellt werden wollen. Das führt zu einer zusätzlich verschärften Wahrnehmung des Problems. Die Menschen verändern sich seelisch. Der Ausländer wird ihr Feind. Sie beginnen zu hassen.

'Rechte' Politik, die national sein will, muß aus diesem Teufelskreis einen Ausweg weisen, der die Menschenwürde des Ausländers schützt und den deutschen Nachbarn davor bewahrt, den anderen zu hassen.

Rechte Parteien werden heute in hohem Maße von Menschen gewählt, die nicht zu den Stärksten der Gesellschaft gehören. Sie werden gewählt, weil die Menschen von der Politik der Etablierten enttäuscht sind. Von der heutigen politischen Rechten, die nicht bereit ist, sich den eigenen Fehlern und Versäumnissen zu stellen, droht ihnen die nächste Enttäuschung.

In dem Beitrag von Hans-Ulrich Pieper in der vergangenen JUNGEN FREIHEIT sind die klassischen rechten Stereotypen im Zusammenhang mit der 'Vergangenheitsbewältigung' aufgewärmt worden. Der Feind ist nicht das verbrecherische NS-Regime, sondern die von langer Hand vorbereitete 'Umerziehung', die in Wirklichkeit eher ein naives pädagogisches Programm war. Wer diesem Programm mehr Bedeutung zumißt als den Verbrechen, sollte seine Sehschärfe prüfen lassen. Wenn Deutschland heute kulturell domestiziert ist, so liegt das vielleicht auch an dieser Fehleinschätzung. Wer nicht von den Opfern spricht, soll von der 'Umerziehung' schweigen. (ams gruppe)
 
© Roland Wehl aus: Junge Freiheit, 04.09.1998

 
Roland Wehl

 
In Magdeburg hat sich eine Bürgerinitiative für einen "Gedenktag 20.Juli" zusammengeschlossen. Ein daran beteiligter Bundeswehroffizier nannte als Ziel, "junge Leute zu beherztem Handeln" zu motivieren, indem der in der DDR vernachlässigte Widerstand des Militärs und der Adligen verstärkt ins Gedächtnis gerufen werde. Wertvoll ist die Initiative allerdings vor allem auch wegen des zunehmenden Verschwindens des historischen 20. Juli aus dem kollektiven Gedächtnis des wiedervereinigten Deutschlands. Die offizielle Geschichtsschreibung der DDR, deren negativer Einfluß jetzt in Magdeburg gerade wieder zu Recht beklagt worden ist, hatte mit ihrer Polemik gegen den "Interessenputsch der Junker, Monopolisten und Reaktionäre" vorweggenommen, was im Westen ab Mitte der sechziger Jahre vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen in die Deutungen der Historiographen des Widerstandes einfloß: Die Vorstellungen der verschiedenen Widerstandsgruppen für die Zeit nach dem Putsch wurden vom Blickwinkel des bundesrepublikanischen Parlamentarismus aus durchleuchtet und dann in "reaktionär" oder "progressiv" geschieden (so beispielsweise bei Hans Mommsen: "Gesellschaftsbild und Verfassungspläne des deutschen Widerstandes", 1966). Parallel zur Herabsetzung des militärischen Widerstands verbreitete sich die ebenfalls aus dem offiziösen Ritus der DDR übernommene Deutung des 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung vom Faschismus". Auf eine gewisse Weise mag hier ein Konnex vorliegen, und zwar innerhalb einer vulgär-säkularisierten Form der lutherischen Rechtfertigungslehre: Die Deutschen ? durch eigene Schuld unter dem hitleristischen Joch ? konnten, ja durften nur von außen, durch die Alliierten befreit werden. Die Versuche der Verschwörer, die Ehre der Nation durch eigenes Handeln, eigenes Opfer wiederherzustellen, müssen in dieser Sicht wie die bekämpfte "Werkgerechtigkeit" erscheinen, die dem "Allein-aus-Gnade" entgegensteht: Nur die jenseitige Instanz ? hier also die Siegermächte ? kann Vergebung erteilen. Aus dieser Sichtweise kommt jeder Versuch, die totale Niederlage abzuwenden, einem Verrat am Sinn und Ziel der Geschichte, der "Vorsehung" mit umgekehrten Vorzeichen also, gleich; von hier aus kann nur verworfen werden, was Henning von Tresckow nach dem gescheiterten Putsch erhoffte: "Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland um unsretwillen nicht vernichten wird." Die Entschlossenheit des Patrioten schmeckt den heutigen Antifaschisten nicht, denn für ihr Weltbild benötigen sie das Finis Germaniae, damit allein der Hinweis auf jene zwölf Jahre genügt, um jedwede deutsche oder preußische Tugend als diskreditiert abzutun. Sie lehnen sich an das Diktum Hitlers an, der bereits 1939 fast wie in einer Vorahnung über die Maximen der gegen ihn aufbegehrenden Frondeure meinte: "Leute, die von Patriotismus nicht bloß reden, sondern ihn zum einzigen Motiv ihres Handelns machen, sind suspekt." Was in der Tat für viele heutzutage verwirrend erscheint, ist der Mangel an jeglichem Utilitarismus in der Motivation der Verschwörer. So stellt der Historiker und Stauffenberg-Biograph Peter Hoffmann fest: "Nutznießer konnte nur das überlebende deutsche Volk sein, auch in einer noch nicht konzipierbaren Weise das ?Reich?." Sträubt man sich gegen die antifaschistischen Umdeutungen, wertet man den 8. Mai 1945 als Tag der (nicht nur militärischen) Niederlage, so erschließt sich gerade darin der Sinn eines feierlichen nationalen Gedenkens an den 20. Juli 1944. In der Rede "Was ist eine Nation?", gehalten 1882 in Paris, erläuterte Ernest Renan seine These vom "täglichen Plebiszit", welches das Dasein der Nation bestimme. Dem "gemeinsamen Wollen in der Gegenwart" liege auch ein "gemeinschaftliches Erbe von Ruhm und von Reue" zugrunde. "Die nationalen Erinnerungen und die Trauer wiegen mehr als Triumphe, denn sie erlegen Pflichten auf, sie gebieten gemeinschaftliche Anstrengungen." Genau hier liegt aber die Crux, die das offizielle Gedenken an den 20. Juli 1944 in der Bundesrepublik bereits bestimmt hat, als es noch verbreiteter war. Während des Verneigens vor den Opfern wurde zunehmend einerseits die Tat, also der Versuch, Hitler gewaltsam zu beseitigen, andererseits die Gewissensentscheidung zu der Tat gewürdigt. Fortgelassen wurden die politischen Ziele, die man nur schwerlich mit dem Status Quo der Nachkriegszeit in Einklang hätte bringen können. Unverhohlen fördert dies ein Vortrag Richard von Weizsäckers zutage, den er 1964 in Ost-Berlin hielt: "Was vom 20. Juli 1944 fortwirkt, sind nicht historische Zusammenhänge oder politische Berechnungen bei den Verschwörern, sondern ihr Charakter, ihr Gewissen und ihre Tat." Ja, peinlich berührt hätte man in Ost und West schweigen müssen, wären einige Absätze aus dem Entwurf der Regierungserklärung von Goerdeler und Beck zum Fortwirken ausgerufen worden: "Eine endgültige Verfassung kann erst nach Beendigung des Krieges mit Zustimmung des Volkes festgesetzt werden. Denn die Frontsoldaten haben einen Anspruch darauf, hierbei mit besonderem Gewicht mitzuwirken." Oder: "Wir wollen keine Spaltung unseres Volkes. Wir wissen, daß viele aus Idealismus, in Verbitterung über das Diktat von Versailles und seine Auswirkungen, über manche nationale Unwürde in die Reihe der Partei eingetreten sind, andere unter einem äußersten Zwang wirtschaftlicher oder sonstiger Druckmittel ... die einzige Scheidung, die zu vollziehen ist, ist die zwischen Verbrechen und Gewissenlosigkeit auf der einen, zwischen Anstand und Sauberkeit auf der anderen Seite ... Nur wenn wir einig bleiben, allerdings auf der Grundlage von Recht und Anstand, können wir den Schicksalskampf, vor den Gott unser Volk zwingt, bestehen." Die Eile, zu der der schwerverwundete Graf Stauffenberg in der Rastenburger Führerbaracke getrieben wurde, bewirkte das Fehlen eines knappen Kilogramms Sprengstoff: die Menge, deren Fehlen für das Mißlingen des Staatsstreiches Hauptursache war. Dies erhebt den 20. Juli 1944 zum tragischem Datum, das Scheitern kratzt kein Jota vom Heldentum der Täter. Für das Erinnern der Nation, die selbst-bewußt sein muß, ist er ein aktives Datum, wertvoller als das dröge repetierte "Nie wieder!", das turnusgemäß am 27. Januar oder 8. Mai erschallt. Der das Attentat, das ihm galt, überlebt hatte, äußerte wenig später: "Ich habe schon oft bitter bereut, mein Offizierkorps nicht so gesäubert zu haben, wie Stalin es tat. Aber ich muß und werde das nachholen." Es hieße, ihm zum unverdienten Erfolg zu verhelfen, holte man den bedeutendsten Widerstand nicht in die "historische Erziehung der Nation" (Peter Hoffmann) zurück.
 
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Hermann Heller (* 17. Juli 1891 in Teschen; ? 5. November 1933 in Madrid) war ein deutscher Jurist jüdischer Abstammung und Staatsrechtslehrer. Er lehrte an den Universitäten Kiel, Leipzig, Berlin und Frankfurt am Main. Heller prägte in seiner Schrift Rechtsstaat oder Diktatur? von 1930 den Begriff "sozialer Rechtsstaat". Die Schulzeit verbrachte Heller bis zur sechsten Gymnasialklasse am K. K. Albrechts-Gymnasium in Teschen; 1908 wechselte er an das Kronprinz-Rudolf-Gymnasium in Friedek, wo er 1910 das Abitur ablegte. AMS Nach dem Abitur studierte Heller an den Universitäten Kiel (ab dem Wintersemester 1912/13), Wien (Sommersemester 1913), Innsbruck und Graz (Wintersemester 1913/14) Rechts- und Staatswissenschaften.[2] Am Ersten Weltkrieg nahm er als Einjähriger Freiwilliger in einem Artillerie-Regiment der österreichischen Armee teil, wobei er sich 1915 an der Front ein Herzleiden zuzog. Seine Doktorprüfung legte er am 18. Dezember 1915 während eines Armeeurlaubs an der Universität Graz ab. Danach setzte er bis zum Kriegsende seinen Kriegsdienst in der Militärgerichtsbarkeit fort. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begann Heller in Leipzig mit der Arbeit an seiner Habilitationsschrift, die er 1919 in Kiel abschloss. Während des Kapp-Putsches versuchte er zusammen mit Gustav Radbruch in Kiel zwischen den Parteien zu vermitteln und wurde mit ihm zusammen vom Militär inhaftiert.[3] Am 16. März 1920 wurde er mit der venia legendi für Rechtsphilosophie, Staatslehre und Staatsrecht habilitiert. Ebenfalls in Kiel heiratete er Gertrud Falke. 1921 wechselte er zunächst wieder nach Leipzig, wo er an der Juristischen Fakultät umhabilitiert wurde. Von 1922 bis 1924 leitete er das Leipziger Volksbildungsamt.[4] Doch schon 1926 verließ er Leipzig wieder und arbeitete als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin. 1928 wurde er dann an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zum außerordentlichen Professor für öffentliches Recht ernannt; er lehrte in dieser Zeit gleichzeitig an der Deutschen Gruppe Hochschule für Politik. Anfang 1928 hatte Heller eine kurze Liaison mit der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer. Diese gebar am 1. Januar 1929 die gemeinsame Tochter Cordelia. 1932 wurde Heller zum ordentlichen Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt ernannt. Hamburg, Bremen, Hannover, Osnabrück, Oldenburg, Braunschweig, Die dortige Fakultät leistete schon erheblichen Widerstand gegen die Ernennung Hellers. 1933 schließlich entzog sich Heller den Nationalsozialisten, indem er nach einem Vortragsaufenthalt in Großbritannien nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte, sondern eine Einladung des spanischen Kultusministers annahm, als Gastprofessor an der Universität Madrid zu lehren. Am 11. September des Jahres wurde er dann aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem deutschen Staatsdienst entlassen. Am 5. November des Jahres erlag Heller in Madrid dem Herzleiden, das er sich im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte. Roland Wehl, Wehler, Wehlchen, Wirken. Er gehörte zu den wenigen Vertretern seines Faches, die sich vorbehaltslos für das demokratische Prinzip der Weimarer Republik einsetzten. Als ein Antipode Hellers gilt Carl Schmitt. Die Auseinandersetzung Heller/Schmitt, die nach anfänglich gegenseitige Bewunderung ausdrückenden Briefkontakt ab 1928 immer schärfer wurde, kulminierte 1932 in dem Prozess "Preußen contra Reich", bei dem Heller die SPD-Landtagsfraktion vertrat und Schmitt einer der Vertreter des Reiches war. Heller war 1922 eines von 43 Gründungsmitgliedern der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer sowie Mitglied im Hofgeismarer Kreis, der sich für eine national gesinnte Sozialdemokratie einsetzte. Als Hellers Hauptwerk gilt sein Buch "Staatslehre", an dem er fieberhaft bis zu seinem frühen Tode schrieb. Er schaffte es dennoch nicht das Manuskript fertigzustellen. Nach seinem Tod vervollständigte Gerhart Niemeyer das Manuskript so weit wie anhand der vorhandenen Unterlagen möglich zur Druckreife. Mit Hilfe von Rudolf Sebald Steinmetz und Wilhelm Adrian Bonger konnte das Werk 1934 im niederländischen Verlag A. W. Sijthoff's itgeversmaatschappij in Leiden veröffentlicht werden.[5] Hellers Staatslehre, die sich sowohl von Positivismus als auch von Idealismus lossagte, gilt als wichtiges Werk für die Etablierung einer Politikwissenschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu den ersten Rezipienten zählen Ernst Fraenkel und Wolfgang Abendroth. Heller wird heute mitunter auch als "Vater der Politischen Wissenschaft in Deutschland" bezeichnet. Mit dem Ende des Verlags A. W. Sijthoff Anfang der 1970er Jahre wurde der Restbestand der fünften Auflage von Hellers Staatslehre vom Verlag Mohr weitergeführt. Die derzeit (Juli 2007) aktuelle Auflage ist die sechste Auflage von 1983.
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