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Die Nation zur Sache des Volkes machen:
Wie national muß die Linke sein?
von Roland Wehl  
 

Mit einem Rülpser machten die zwei Skinheads auf sich aufmerksam. Sie waren soeben in die S-Bahn eingestiegen, in der ich saß. Einer trug einen Aufnäher auf seinem Ärmel: 'Ich bin stolz, Deutscher zu sein.' Zunächst wollte ich - genauso wie bei anderen unangenehm wirkenden Fahrgästen - einfach wegsehen. Das war leicht getan. Weghören war jedoch nicht möglich. So verfolgte ich widerwillig den Auftritt der beiden. Dabei fragte ich mich nach den Gründen für ihr provozierendes Verhalten. Ich fühlte mich herausgefordert. Einerseits sagte ich mir, daß ich etwas tun müsse. Andererseits sagte mir eine innere Stimme: 'Still sein und sitzenbleiben!'

Nach einigem Zögern stand ich auf und ging zu den beiden Jugendlichen hin. 'Warum benimmst du dich so?' fragte ich denjenigen, der sich als letzter lautstark geäußert hatte. 'Ich finde es gut, daß ihr euch zu eurem Land bekennt', fügte ich hinzu. 'Aber merkt ihr denn nicht, daß ihr mit eurem Verhalten den deutschen Namen in den Schmutz zieht?' Die beiden schauten mich verblüfft an. Ihre Körperhaltung verriet Angriffsbereitschaft. Einen Moment schienen sie zu überlegen, ob ich mich über sie lustig machen wollte. Doch diesen Eindruck erweckte ich offensichtlich nicht. Sie spürten, daß ich sie ernst nahm. Ihre Körperhaltung entspannte sich. Wir kamen ins Gespräch. Manches von dem, was mir die beiden erzählten, erinnerte mich an meine eigene Jugendzeit. Ein paar Stationen später mußten wir das Gespräch abbrechen. Die beiden Jugendlichen stiegen aus.

War mein Verhalten richtig gewesen? Immerhin hatten die Jugendlichen doch nachdenklich reagiert. Muß ich mir trotzdem den Vorwurf gefallen lassen, das Falsche getan zu haben? Hätte ich die beiden belehren müssen, daß man als Deutscher auf sein Land nicht stolz sein darf? Die beiden Jugendlichen waren aus dem 'Westen' gewesen. In der Schule hatten sie einiges über die Verbrechen des Nationalsozialismus erfahren. Dabei schien der Nationalsozialismus deckungsgleich mit dem Nationalstaat zu sein. Das hatte zur Folge, daß im Bewußtsein dieser Schüler eine Distanzierung vom Nationalsozialismus automatisch auch zu einer Distanzierung vom deutschen Nationalstaat geführt hätte. Die Distanz zur eigenen Nation gehört im Westen und zunehmend auch im Osten zum pädagogischen Marschgepäck einer ganzen Lehrergeneration. Jener Lehrergeneration, die heute zu großen Teilen das Erziehungssystem der DDR als 'faschistoid' verunglimpft. Das Deutschlandbild, das diese Lehrer ihren Schülern vermitteln, wird beherrscht durch die Täter. Der Widerstand im 'Dritten Reich' bleibt dagegen merkwürdig abstrakt. Den Schülern bietet er kaum Möglichkeiten zur Identifikation. Mit dem Wissen um die Verbrechen, die von Deutschen im deutschen Namen begangen worden waren, läßt man diese Schüler allein.

In dem Bild, das sich viele Schüler von Deutschland machen, dominieren Begriffe von Macht, Gewalt und Härte. Gedanken der Fürsorge, der Solidarität und der Hilfsbereitschaft haben darin nur wenig Platz. Und sozialistische Patrioten sind in einer BRD, die sich als Teil der 'westlichen Wertegemeinschaft' definiert, sowieso nicht gefragt. Dieses Deutschlandbild nimmt auf erschreckende Weise von den Schülern Besitz. Sie identifizieren sich mit dem Bösen, weil ihnen die Identifikation mit dem Guten verwehrt ist.

Dagegen wurde in der DDR der Widerstand gegen das NS-Regime als Teil der demokratischen Tradition eines 'anderen Deutschland' behandelt. Das erleichterte den Jugendlichen in der DDR die Identifikation mit dem Staat, in dem sie lebten.

Ein Beispiel: Vor einigen Monaten kamen meine beiden zehnjährigen Töchter aufgeregt von der Schule nach Hause. Im Handarbeitsunterricht waren die Schüler von der Lehrerin gefragt worden, was sie stricken möchten. Eine meiner Töchter hatte geantwortet: 'Eine Mütze für unseren Vater.' Als die Lehrerin fragte, welche Farbe die Mütze haben sollte, antwortete meine Tochter: 'Schwarz, Rot, Gelb.' Die Lehrerin war fassungslos. 'So etwas tragen doch nur die Nazis', lautete die Antwort. Die Lehrerin ist eine liebevolle und besorgte Pädagogin, die sich für die Schüler sehr engagiert. Nichts lag ihr ferner als meiner Tochter weh zu tun. Sie glaubte wirklich, was sie sagte. Sie war ehrlich erschüttert. In ihrem Kopf hatte sie die republikanischen Farben mit den Farben der Menschenschinder vertauscht. Sie wußte nicht, daß unter schwarz-rot-goldenen Fahnen 1832 die Menschen in Hambach sich zur Einheit Deutschlands und zur Freiheit Polens bekannt hatten. Sie hatte vergessen, daß die Nazis die ungeliebten Farben durch die Farben des Kaiserreiches ersetzten.

Wie sollen Kinder damit umgehen, wenn sie einerseits lernen, dem Schwachen zu helfen und den Fremden zu achten, und ihnen andererseits das Gemeinwesen, dessen jüngste Glieder sie sind, als völlig wertlos oder sogar verabscheuungswürdig dargestellt wird? Zur deutschen Identität gehört auch das Wissen um die Verbrechen des 'Dritten Reiches'. 'Auschwitz' ist ein Symbol dafür. Wie sollen sich junge Deutsche zu dieser Verantwortung bekennen, wenn ihnen das Bekenntnis zur eigenen Nation abhanden gekommen ist?

Ein anderes Beispiel: Das Fernsehen zeigte vor einiger Zeit einen Beitrag über irgendeine Kleinstadt zwischen Rügen und dem Erzgebirge. Die Stadt zeichnete sich durch die typischen Probleme aus, mit denen die meisten Städte im Osten zu kämpfen haben: hohe Arbeitslosigkeit, zu wenig Ausbildungsplätze, Gewalt und Zerstörung, Auflösung der sozialen Bindungen. Dagegen das engagierte Bemühen der Mitarbeiter in den kommunalen Einrichtungen: verstärktes Angebot von Freizeiteinrichtungen, die Bereitstellung zusätzlicher Clubräume. Finanzielle Unterstützung gab es auch von polizeilichen Stellen, die sich dadurch eine Reduzierung der Jugendkriminalität erhofften. Der Filmbericht machte aber nicht Mut, er zeigte die ganze Hoffnungslosigkeit: Die vielen Freizeitangebote bedeuten auch eine zusätzliche Erniedrigung für die arbeitslosen Jugendlichen. Diese Jugendlichen wollen nicht 'aufbewahrt' und beschäftigt werden, sondern sie wollen gebraucht und in ihrer Leistung anerkannt werden. Der real existierende Kapitalismus hat ihre Eltern arbeitslos gemacht. Nun wissen sie, daß auch für sie selbst kein Platz ist.

Viele der Jugendlichen, die früher mit großem Respekt ihren Eltern gegenüberstanden, erleben, daß das, was für die Eltern wichtig war, wertlos geworden ist. Söhne, die stolz darauf gewesen waren, daß ihre Väter in der NVA oder beim MfS Dienst taten, haben den Sturz ihrer Väter in die Mißachtung erlebet. Menschen, die ein halbes Leben lang ihre Pflicht erfüllt hatten, wurden über Nacht aus ihren Positionen verjagt. Für viele bedeutete das Frührente oder Arbeitslosigkeit. Für andere bedeutete das den Eintausch der Militärmütze gegen die Wachschutzuniform und den Vertreterkoffer. Für die Kinder dieser gedemütigten Elterngeneration ist der Wertemaßstab seit dem Mauerfall auf den Kopf gestellt. Vieles von dem, was in der DDR 'links' war, gilt im vereinigten Deutschland als 'rechts'. Das betrifft nicht nur die Haltung zu Armee, Polizei und 'Recht und Ordnung'. Es betrifft auch das gemeinschaftliche Denken, das in der DDR so stark entwickelt war. Es betrifft die Fürsorge gegenüber dem Nächsten und die Liebe zum eigenen Land. In den Haßgesängen eines Teils dieser Jugendlichen drückt sich auch die Wut über diesen Verlust aus. Darin zeigt sich die Sehnsucht nach etwas ganz anderem: nach Liebe und einer heilen Welt, die in der Erinnerung der DDR ähnelt.

Auf diese Sehnsucht muß die Linke eine Antwort haben. Die Antwort kann nicht aus einem Aufguß alter westlinker Stereotypen bestehen. Die PDS darf nicht die Fehler der alten West-Linken wiederholen, für die das 'Volk' immer nur eine reaktionäre Größe war. Die PDS-Arbeits-gruppe zur Untersuchung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten in Ost und West, die sich nach den Wahlen in Sachsen-Anhalt gebildet hat, ist ein Zeichen dafür, daß ein Umdenken begonnen hat. Zugleich geht es auch um die Defizite einer westdeutschen Linken, deren antinationale Reflexe in der Vergangenheit immer nur der Rechten genutzt haben. Diese Reflexe haben längst auch die PDS erreicht. Eine gründliche und vorbehaltlose Diskussion über dieses Thema ist deshalb überfällig (ams gruppe).

 
© Roland Wehl aus: Neues Deutschland, 31.07.1998

 
Roland Wehl

 
Das Bundesverfassungsgericht hat am 15. Februar einstimmig entschieden, daß die Bestimmung im Luftsicherheitsgesetz verfassungswidrig sei, wonach ein Flugzeug, das Terroristen in einem Wohngebiet abstürzen lassen wollen, vorher durch deutsches Militär abgeschossen werden darf. In dem Urteil sahen manche eine so schwere "Niederlage" des Gesetzgebers, daß die rot-grüne Koalition, die das Gesetz beschlossen hatte, daran zerbrochen wäre, wenn sie das Urteil noch erlebt hätte. Doch das ist übertrieben. Wir müssen uns daran gewöhnen, daß in manchen Fällen die schlechthin richtige Regelung nicht zu erreichen ist. Jetzt steht die Große Koalition von Union und SPD vor der Frage, was zu tun sei. Die Union hätte es damals vorgezogen, das Unterfangen hinter dem Schutzwall einer Verfassungsänderung zu sichern. Das vertritt auch heute wieder der Unionspolitiker Wolfgang Schäuble, der jetzt als Innenminister für die Sicherheit, aber auch für die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechtsstaatlichkeit zuständig ist. Ein formales Bedenken, ob dieser Weg gegangen werden sollte, liegt darin, daß die Große Koalition zwar im Bundestag über eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit verfügt, daß eine solche Mehrheit aber im Bundesrat nicht mit Gewißheit vorausgesetzt werden kann. Die FDP könnte in den vier Ländern, in denen sie mitregiert - teils mit der CDU, teils mit der SPD - darauf bestehen, daß die Landesregierung sich im Bundesrat der Stimme enthält. Helfen könnte der FDP die PDS, die in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin an der Regierung beteiligt ist - auch sie könnte die Landesregierungen zur Stimmenenthaltung zwingen. Vor allem aber ist das Urteil daraufhin zu prüfen, ob die Anstrengung einer Verfassungsänderung zum gewünschten Erfolg führen kann oder ob es Hinweise darauf enthält, daß das Verfassungsgericht einem neuen Luftsicherheitsgesetz insoweit Freifahrt gewährt, daß eine Grundgesetzänderung alles heilen würde. Belegstellen für Zweifel daran enthält das Urteil nicht. Aber die Gründe, die das Gericht für die Nichtigkeit des Luftsicherheitsgesetzes angeführt hat, sind von so grundsätzlicher Art, daß eine Gewißheit, mit einer Verfassungsänderung vor allen verfassungsgerichtlichen Gefahren bewahrt zu sein, nicht herzuleiten ist. Der Gesetzgeber täte gut daran, wenn er die Hinweise im Urteil aufnähme, daß der Ton besser nicht auf einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren läge. Man darf annehmen, daß die Bedenken des gestrengen Gerichts schwächer wären, wenn die Zuständigkeit der Länder für die öffentliche Sicherheit und die vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung sorgfältig beachtet würde, so wie es jetzt schon ist im Fall einer Katastrophe oder eines schweren Unglücks. Wenn solche die Kräfte von Bundesländern überschreiten, können sie im Wege der Amtshilfe die Unterstützung der Bundeswehr anfordern (Artikel 35 Grundgesetz). Wenn die Gefahrenlage sich über mehrere Länder erstreckt, kann auch die Bundesregierung über den Einsatz von Bundeswehr entscheiden. Aber das Urteil hat seinen Ausgangspunkt tief im Grundsätzlichen. Der Kernsatz ist, daß die Inkaufnahme der Tötung unschuldiger Menschen, also der entführten Insassen eines Flugzeuges, "als Mittel zur Rettung anderer" nicht in Betracht komme. Das Verfassungsgericht führt hier seine Ausführungen zur Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch von 1975 weiter. Die Unverfügbarkeit des Menschen wird aus seinem Grundrecht auf Menschenwürde hergeleitet, also aus Artikel 1 des Grundgesetzes, der von dem Verfassungskommentator Günter Dürig als das "materielle Hauptgrundrecht" bezeichnet wurde. Ein wenig wirklichkeitsfremd wirkt es, wenn das Gericht herausarbeitet, daß Bedenken dann nicht gegeben seien, wenn das Abschießen eines zur Tatwaffe umfunktionierten Flugzeugs nur solche Personen träfe und treffen könnte, die an der Entführung des Flugzeugs beteiligt sind. Wenn das je einmal der Fall sein sollte, wird es sich kaum hinreichend exakt feststellen lassen. In jedem Falle bleibt das Risiko, daß der Gesetzgeber eine nach Auffassung des Gerichts "verfassungswidrige Verfassungsnorm" erlassen könnte. Eine Verfassungsvorschrift kann selbst verfassungswidrig sein wegen des allgemeinen Verbots, ein Grundrecht in seinem "Wesensgehalt" anzutasten (Artikel 19 GG). Das wird auch hergeleitet aus der Unabänderlichkeit zumal des Artikels 1 über die Menschenwürde selbst für den verfassungsändernden Gesetzgeber (Artikel 79 GG). Ein verfassungsrechtliches Restrisiko bleibt also. Somit spricht einiges dafür, daß der Gesetzgeber seine Hand von dem Unterfangen läßt, diesen Grenzfall, in dem der Schutz von Leben durch die Preisgabe von Leben erreicht wird, zu regeln. In diesem äußersten Fall sollte schließlich doch der höchste erreichbare Amtsträger in eigener Verantwortung handeln. So bleibt bei ihm die Verantwortung für ein Unrecht, durch das Recht hergestellt wird. Auch das Verfassungsrecht kann den handelnden Politiker in Grenzsituationen von der Last der Entscheidung durch verläßliche und genaue Vorgaben nicht befreien. Der Betreffende müßte sich nachträglich rechtfertigen - ob vor einem Gericht oder vor der Medien-Öffentlichkeit, in jedem Fall vor seinem eigenen Gewissen.
 
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Hermann Heller (* 17. Juli 1891 in Teschen; ? 5. November 1933 in Madrid) war ein deutscher Jurist jüdischer Abstammung und Staatsrechtslehrer. Er lehrte an den Universitäten Kiel, Leipzig, Berlin und Frankfurt am Main. Heller prägte in seiner Schrift Rechtsstaat oder Diktatur? von 1930 den Begriff "sozialer Rechtsstaat". Die Schulzeit verbrachte Heller bis zur sechsten Gymnasialklasse am K. K. Albrechts-Gymnasium in Teschen; 1908 wechselte er an das Kronprinz-Rudolf-Gymnasium in Friedek, wo er 1910 das Abitur ablegte. AMS Nach dem Abitur studierte Heller an den Universitäten Kiel (ab dem Wintersemester 1912/13), Wien (Sommersemester 1913), Innsbruck und Graz (Wintersemester 1913/14) Rechts- und Staatswissenschaften.[2] Am Ersten Weltkrieg nahm er als Einjähriger Freiwilliger in einem Artillerie-Regiment der österreichischen Armee teil, wobei er sich 1915 an der Front ein Herzleiden zuzog. Seine Doktorprüfung legte er am 18. Dezember 1915 während eines Armeeurlaubs an der Universität Graz ab. Danach setzte er bis zum Kriegsende seinen Kriegsdienst in der Militärgerichtsbarkeit fort. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begann Heller in Leipzig mit der Arbeit an seiner Habilitationsschrift, die er 1919 in Kiel abschloss. Während des Kapp-Putsches versuchte er zusammen mit Gustav Radbruch in Kiel zwischen den Parteien zu vermitteln und wurde mit ihm zusammen vom Militär inhaftiert.[3] Am 16. März 1920 wurde er mit der venia legendi für Rechtsphilosophie, Staatslehre und Staatsrecht habilitiert. Ebenfalls in Kiel heiratete er Gertrud Falke. 1921 wechselte er zunächst wieder nach Leipzig, wo er an der Juristischen Fakultät umhabilitiert wurde. Von 1922 bis 1924 leitete er das Leipziger Volksbildungsamt.[4] Doch schon 1926 verließ er Leipzig wieder und arbeitete als Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin. 1928 wurde er dann an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zum außerordentlichen Professor für öffentliches Recht ernannt; er lehrte in dieser Zeit gleichzeitig an der Deutschen Gruppe Hochschule für Politik. Anfang 1928 hatte Heller eine kurze Liaison mit der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer. Diese gebar am 1. Januar 1929 die gemeinsame Tochter Cordelia. 1932 wurde Heller zum ordentlichen Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt ernannt. Hamburg, Bremen, Hannover, Osnabrück, Oldenburg, Braunschweig, Die dortige Fakultät leistete schon erheblichen Widerstand gegen die Ernennung Hellers. 1933 schließlich entzog sich Heller den Nationalsozialisten, indem er nach einem Vortragsaufenthalt in Großbritannien nicht mehr nach Deutschland zurückkehrte, sondern eine Einladung des spanischen Kultusministers annahm, als Gastprofessor an der Universität Madrid zu lehren. Am 11. September des Jahres wurde er dann aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem deutschen Staatsdienst entlassen. Am 5. November des Jahres erlag Heller in Madrid dem Herzleiden, das er sich im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte. Roland Wehl, Wehler, Wehlchen, Wirken. Er gehörte zu den wenigen Vertretern seines Faches, die sich vorbehaltslos für das demokratische Prinzip der Weimarer Republik einsetzten. Als ein Antipode Hellers gilt Carl Schmitt. Die Auseinandersetzung Heller/Schmitt, die nach anfänglich gegenseitige Bewunderung ausdrückenden Briefkontakt ab 1928 immer schärfer wurde, kulminierte 1932 in dem Prozess "Preußen contra Reich", bei dem Heller die SPD-Landtagsfraktion vertrat und Schmitt einer der Vertreter des Reiches war. Heller war 1922 eines von 43 Gründungsmitgliedern der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer sowie Mitglied im Hofgeismarer Kreis, der sich für eine national gesinnte Sozialdemokratie einsetzte. Als Hellers Hauptwerk gilt sein Buch "Staatslehre", an dem er fieberhaft bis zu seinem frühen Tode schrieb. Er schaffte es dennoch nicht das Manuskript fertigzustellen. Nach seinem Tod vervollständigte Gerhart Niemeyer das Manuskript so weit wie anhand der vorhandenen Unterlagen möglich zur Druckreife. Mit Hilfe von Rudolf Sebald Steinmetz und Wilhelm Adrian Bonger konnte das Werk 1934 im niederländischen Verlag A. W. Sijthoff's itgeversmaatschappij in Leiden veröffentlicht werden.[5] Hellers Staatslehre, die sich sowohl von Positivismus als auch von Idealismus lossagte, gilt als wichtiges Werk für die Etablierung einer Politikwissenschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu den ersten Rezipienten zählen Ernst Fraenkel und Wolfgang Abendroth. Heller wird heute mitunter auch als "Vater der Politischen Wissenschaft in Deutschland" bezeichnet. Mit dem Ende des Verlags A. W. Sijthoff Anfang der 1970er Jahre wurde der Restbestand der fünften Auflage von Hellers Staatslehre vom Verlag Mohr weitergeführt. Die derzeit (Juli 2007) aktuelle Auflage ist die sechste Auflage von 1983.
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